Verhaltens­forschung und Pferde­training

Wie lernen Pferde?

Im folgenden Artikel möchte ich den Lesern ein paar grundlegende Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung vermitteln und überprüfen, wie weit sich die Trainingsmethoden im Dressurreitsport an diesen Grundlagen orientieren.

Die Verhaltensforschung ist ein Teilgebiet der Biologie und liefert bereits seit vielen Jahrzehnten interessante Ergebnisse durch das systematische Beobachten von Menschen und Tieren. Das Verhalten in der natürlichen Umgebung oder in speziellen (Test-)Situationen aber auch die Frage, „wie können Tiere lernen?“ war immer wieder Gegenstand der Untersuchungen. Unterschiedliche Theorien über das Lernen haben sich in den vergangenen 100 Jahren daraus entwickelt. Der „bekannteste“ Forscher auf diesem Gebiet ist sicherlich der russische Physiologe Petrowitsch Pawlow, der bereits um 1900 mit seinen Versuchen  die Klassische Konditionierung bzw. das Koppeln von Reizen erklärte (siehe Abbildung rechts: „Pawlow´scher Hund“).

Konditionierung

Der Psychologe Frederic Skinner analysierte in den 50-er Jahren mit seiner „Skinner-Box“ die Lernfähigkeiten unterschiedlicher Säugetiere und prägte den Begriff „Operante Konditionierung“. Auch der Nobelpreisträger Konrad Lorenz hat durch seine Arbeiten (die bekanntesten sicher jene über die Graugänse) wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Verhaltensbiologie als eigenständige Fachrichtung an den Hochschulen etablierte.

Aber auch ganz aktuell gibt es Wissenschaftler (z.B. Paul McGreevy, Sydney 2010), die sich mit den Fragen, „wie lernen und denken Pferde?“ und „wie kann man ihre natürlichen Verhaltensweisen nutzen, um sie in fairer und pferdegerechter Art zu trainieren?“ auseinandersetzen.
Mein Eindruck ist allerdings, dass diese Erkenntnisse, und vor allem deren Umsetzung im Reitsport, im deutschsprachigen Raum wenig Gehör finden.

Ich möchte einige Erkenntnisse dieser Wissenschaftler herausgreifen, die für Pferdetrainer besonders relevant sind. Übrigens ist jeder Mensch, der ein Pferd „verwendet“ ein „Trainer“, weil alles, was er mit dem Tier macht (Spazieren gehen, Putzen, Satteln, Longieren, Reiten,…) einen „trainierenden Einfluss“ ausübt. Ich weise deshalb darauf hin, weil ich öfter von Pferdebesitzern höre, „Ich reite das Pferd nur, aber ausgebildet wird sie von meiner Trainerin…“

Signale müssen eindeutig sein und müssen Reaktionen auslösen
Wir kommunizieren mit den Pferden durch Signale, die wir ihnen bewusst (unsere Hilfen) und manchmal auch unbewusst (unsere Körpersprache!) geben.
Um das Pferd nicht zu verwirren, müssen Signale eindeutig sein! Das bedeutet, ein konkretes Signal muss für eine bestimmte Antwort verwendet werden und nicht für verschiedene.
Das heißt z.B., wenn ich als Reiter eine beidseitige Schenkelhilfe gebe, (beide Unterschenkel an den Pferdeleib andrücke), so erwarte ich immer ein Antreten aus dem Halt oder eine Beschleunigung, wenn das Pferd schon in Bewegung ist. (Vorausgesetzt, dem Pferd wurde bereits die „Sprache der Hilfen“ vermittelt; siehe dazu auch weiter unten). Erfolgt diese Antwort vom Pferd nicht sofort und deutlich und gibt es daraufhin keine Konsequenzen durch den Reiter, so wird das Pferd, dieses Signal (Schenkeldruck) in Zukunft weniger ernst nehmen. Je öfter ein Signal (Schenkeldruck) vom Pferd ignoriert wird, umso weniger wichtig wird dieses Signal für das Tier. Es wird bald als „lästiges Nebengeräusch“ bewertet.

Wenn wir das Signal „beidseitiger Schenkeldruck“ aber auch dann verwenden, wenn wir andere Reaktionen vom Pferd erwarten, so wird es für das Tier sehr kompliziert.
Genau das wird aber bei der „Halben Parade“ gemacht. Die Reiter setzen ihre Schenkel ein und erwarten aber gar keine Beschleunigung, sondern vielleicht einen Übergang in eine andere Gangart, manchmal sogar in eine „langsamere!“

Mit dieser Verwirrungstaktik wird beim Pferd eine große Unsicherheit ausgelöst. Soll es in Zukunft auf Schenkeldruck überhaupt reagieren und wenn ja, in welcher Art?

Das Resümee lautet daher: Ständig aktive Reiterbeine stumpfen ab und verwirren und stellen für die Pferde eine massive Erschwernis beim Lernen dar. Darüber hinaus ist diese „Unart“ auch für die Reiter ermüdend und verschlechtert die Beinposition und somit den Sitz.

Signale dürfen nicht widersprüchlich gegeben werden
Die gängige Praxis im Dressursport sieht vor, dass die Schenkelhilfen meistens gleichzeitig mit den Zügelhilfen gegeben werden Das ständige Treiben mit den Beinen wird durch das ständige Einwirken mit den Händen ergänzt. (Man will einerseits einen deutlichen Kontakt zum Pferdemaul herstellen und gleichzeitig die Vorwärtsbewegung absichern.) Am deutlichsten wird diese Vorgangsweise in der „Halben Parade“. Sie setzt sich definitionsgemäß aus der gleichzeitigen Verwendung von Schenkel-, Zügel- und Kreuzhilfe zusammen.

Jetzt hat das Pferd im Vergleich zur obigen Situation ein noch viel größeres Problem! Es erhält zeitgleich ein weiteres Signal (Zügelhilfe), das auch dafür verwendet wird, um ein Pferd langsamer zu machen. Das erfordert vom Pferd aber eine völlig entgegengesetzte Reaktion und auch ganz andere Muskelaktivitäten. Soll das Pferd nun auf die Einwirkung der Reiterhand reagieren und langsamer werden oder soll es auf die Reiterschenkel hören und zulegen? Zur entstandenen Verwirrung gesellt sich beim „Schüler Pferd“ nun rasch Frust, manchmal auch Aggression. Versetzen sie sich in die Lage dieser Pferde, was würden sie tun?

Wenn das Pferd schließlich nicht so reagiert, wie der Reiter es erwartet hat (?), beobachtet man dann in der Praxis eine „Verstärkung der Hilfengebung! Das bedeutet also, noch mehr Beineinwirkung und noch mehr Zügeleinwirkung. Dadurch erhöht sich natürlich der Stress für das Tier! Je nach charakterlicher Veranlagung und Situation wird es auf diese Verstärkung der Einwirkung eher „Beschleunigen/Davonlaufen“ oder aber „das Tempo verringern“. Auf keinen Fall kann es beiden Signalen gleichzeitig Rechnung tragen. Diese Art Hilfen zu geben entbehrt jeder Logik!

Aufrüttelnd sind die Aussagen der Verhaltensforscher zu den Folgen anhaltender, widersprüchlicher Signalgebung:

–       Pferde mit eher ruhigem Charakter stumpfen durch diese Vorgangsweise ab.

–       Es sind somit zunehmend stärkere Reize (Hilfen!) nötig, um überhaupt eine Reaktion zu erzielen.

–       Bei den sensibleren Tieren zeigen sich im Lauf der Zeit auffällige Verhaltensveränderungen. Ständige Nervosität mit hoher Bereitschaft zum Fluchtverhalten überwiegt. Ein höherer Muskeltonus mit Verspannungen ist auch als typisches Merkmal einer Stressreaktion zu werten. Dieser Stresszustand kann bis zur chronischen Gastritis führen.

–       Dauern die verwirrenden Trainingsphasen längere Zeit an und werden die Hilfen intensiver eingesetzt („ehrgeizige Reiter“, scharfe Gebisse, Sporen) kann das bei manchen Pferden zu einer Art „autistischem Verhalten“ führen, das bis zur „gelernten Hilflosigkeit“ und somit Gleichgültigkeit auch auf starke Reizeinwirkung ansteigen kann.

Schon alleine die Analyse dieser Beispiele (Signale müssen eindeutig sein; Signale dürfen nicht widersprüchlich sein) veranschaulicht, dass die Hilfengebung im Dressursport ganz offensichtlich wider die Natur der Pferde erfolgt und man sich auch durch Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung nicht beirren lässt! Sonst müsste man augenblicklich die „Sprache der Hilfen“ und somit die Methodik bei der Pferdeausbildung neu konzipieren.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass das Antreten aus dem Halt sowie das Beschleunigen und andererseits das Bremsen und Anhalten Elemente aus der Grundausbildung von Pferden sind. Sie gehören neben den Richtungsänderungen zu den ersten und wichtigsten Bausteinen, die man braucht, um das „Fluchttier Pferd“ kontrollieren zu können. Wenn schon bei diesen Basis-Hilfen eine so unsaubere Vorgangsweise zu finden ist und der „Schüler Pferd“ mit widersprüchlichen Maßnahmen „behandelt“ wird, verspricht das nichts Gutes für die weitere Lehrzeit!

Wie soll man Pferden etwas lehren?
Schauen wir jetzt einmal, was uns die Verhaltensforschung vorschlägt, wie man sinnvoll und effektiv Pferde trainieren kann.
Zuerst sollte man wissen, dass (fast) alle Aktivitäten die wir setzen um Pferde zu trainieren, dem Prinzip der „Negativen Verstärkung“ entsprechen.

Negative Verstärkung bedeutet, dass wir zuerst „Druck“ auf das Pferd ausüben, und bei einer erwünschten Reaktion des Tieres, diesen Druck wieder beenden. Deshalb auch das Wort „negativ“, weil es wie in der Mathematik das Wegnehmen beschreibt, und nicht etwa weil es eine „negative Technik“ ist.

Ohne Druck geht es nicht
Der Druck wird in den meisten Fällen in physischer Form auf den Pferdekörper einwirken. Beispiele dafür sind der Schenkeldruck, der Druck der Gerte oder der Zug des Führseiles, der sich über das Halfter auf den Kopf überträgt. Die „eindringlichste Form“ von Druck ist sicher jene, die die Trense im Maul auf die besonders schmerzempfindlichen Stellen (Zunge, Zahnfleisch) ausüben kann. Daher sind widersprüchliche und starke Zügeleinwirkungen das Schlimmste für Pferde!

Wir können aber auch psychischen Druck auf das Pferd ausüben, indem wir mit unserer Körpersprache (Mimik, Gestik, Körperbewegung, Stimme) eine bestimmte Reaktion beim Pferd auslösen wollen, z.B. das Ausweichen.

Dem Pferd die Entscheidungsmöglichkeit geben
Wir wissen aus der Verhaltensforschung, dass Negative Verstärkung nur dann einen Lerneffekt herbeiführt, wenn das Tier die Chance hat, sich für ein Beenden des Druckes zu entscheiden, indem es die „richtige Antwort“ gibt. 
Schauen wir nochmals zu dem Beispiel „Schenkeldruck“: Der Reiter übt Druck mit den Unterschenkeln aus, das Pferd hat gelernt, dass es durch Beschleunigen diesen Druck beenden kann. Der Reiter muss unmittelbar nach dieser Reaktion seinen Druck wieder wegnehmen. Der Zusammenhang von „Anfrage durch Druckausübung – richtige Antwort vom Pferd – Druck wegnehmen“ stellt für das Tier eine Möglichkeit dar, Entscheidungen zu treffen, die ihm Erleichterung verschaffen. Wenn das Tier „mit Sicherheit“ darauf vertrauen kann, dass dieser Zusammenhang gültig ist, so wird es in seinem Lernvermögen unterstützt. Es hat die Chance, seine eigene Situation mitzugestalten. Das reduziert den Stress und erhöht das Vertrauen zum Menschen. 

Wichtige Regeln bei der Anwendung der Negativen Verstärkung:

  • Die erwünschte Antwort des Pferdes muss möglich und zumutbar sein.
  • Das Signal/der Druck muss eindeutig sein.
  • Der Druck muss am Beginn so fein wie möglich ausgeübt werden.
  • Wenn das Pferd nicht reagiert, muss der Druck langsam gesteigert werden.
  • Wenn das Pferd andere, unerwünschte Antworten gibt, so muss der Druck weiterhin bestehen bleiben.
  • Die Wegnahme des Druckes sollte schon bei dem Versuch des Pferdes, eine richtige Antwort zu geben, eintreten.
  • Das Wegnehmen des Druckes soll abrupt erfolgen.

Das bedeutet, dass schon die Auswahl der Aufgabenstellung entscheidend ist. Ich darf dem Pferd nur  zumutbare Aufgaben stellen, bei denen die Erfolgsaussichten groß sind. Oft muss ich meine Übung/Lektion auch in Teilschritte zerlegen und mich so ans Ziel heran tasten.

Ein typisches Beispiel dafür ist das clevere Verladetraining. Die Zielübung „Pferd steigt in den Hänger ein“ wird in Teilaufgaben zerlegt. Zuerst wird das „Annähern an die Rampe und dort ruhig Stehen“ geübt. Der nächste Teil könnte sein, „die Vorderbeine stehen auf der Rampe“, usw..

Timing und Dosierung sind entscheidend
Ein weiteres Kriterium bei der Negativen Verstärkung ist das richtige Dosieren beim Druckaufbau. Je besser ein Trainer das Pferd dabei „lesen“ kann, umso genauer kann er sein eigenes Verhalten auf das Verhalten des Pferdes abstimmen. Wenn das Tier auch nur leise Bemühungen zeigt, die richtige Antwort zu geben, nimmt der routinierte Horseman den Druck sofort weg. Im umgekehrten Fall, wenn das Pferd nicht reagiert oder eine andere als die erwünschte Antwort gibt, bleibt der „Druck“ aufrecht. Das erfordert volle Konzentration bei beiden Partnern. Je routinierter der Mensch im Umgang mit seinen Hilfsmitteln (Körpersprache und Hilfengebung mit diversem Equipment) ist und dabei auch mental ausgeglichen agiert, umso leichter lernen die Pferde. Erfahrene Horsemen wenden diese Prinzipien an und das ist der Grund, warum diese Menschen in sehr kurzer Zeit oft verblüffende Ergebnisse auch mit „schwierigen“ Pferden erzielen. (Übrigens sind sogenannte „schwierige Pferde“ fast immer solche, die in der Grundausbildung mit falschen oder widersprüchlichen Erziehungsmethoden vom Menschen dazu gemacht wurden!)

Für alle, die noch keine „Horsemen“ sind heißt meine Botschaft: „Ein guter Horseman zu werden ist kein Geschenk des Himmels, das nur bestimmten Menschen zuteil wird, sondern eine Vorgangsweise, die man erlernen kann, wenn man konsequent ist und unter Anleitung übt!“

Ich möchte ihnen zwei Beispiele geben, die zeigen, dass Pferdetraining auch sehr stimmig mit den Erkenntnissen aus der Verhaltensforschung sein kann. Ein Beispiel kommt aus dem Equus®-Beziehungstraining und eines aus der Légèreté nach Philippe Karl.

Ein Beispiel aus dem Equus®-Beziehungstraining
Am Beispiel des Führens vom Boden aus, möchte ich ihnen einige Merkmale von Equus® erläutern. Der Baustein „Antreten aus dem Halt“ wird beschrieben.

Der Mensch steht in Höhe der Pferdeschulter mit einer Armlänge Abstand, das Führseil hängt lose durch. Die Körperhaltung ist entspannt (Pausenhaltung). Jetzt beginnt der Vorgang, indem sich der Mensch aufrichtet (Startposition), in die geplante Richtung blickt und mit der führenden Hand auch dorthin zeigt. Das ist die feinste Hilfe, die man einem Pferd geben kann, um ihm verständlich zu machen, „Bitte bewege dich dorthin!“ Schon nach wenigen Übungseinheiten genügt diese feine Hilfe auch tatsächlich! Noch ist es aber nicht soweit und wir müssen unseren Wunsch ans Pferd deutlicher ausdrücken. Wir heben mit der treibenden Hand unseren Kontaktstock oder eine Gerte und nähern sie mit rhythmischen auf-und-ab Bewegungen an die Flanke des Tieres. Erfolgt noch immer keine Reaktion, so touchieren wir die Flanke und spätestens dann setzt sich das Pferd in Bewegung. Wenn das Tier richtig reagiert – egal in welcher Phase – lassen wir den Stock sofort wieder sinken und bewegen uns mit dem Pferd in die geplante Richtung.

Es würde hier zu weit führen, alle Feinheiten im Bewegungsablauf sowie alle Möglichkeiten zu beschreiben, die eintreten könnten und wie wir darauf reagieren müssten: z.B. das Pferd geht nicht vorwärts sondern weicht rückwärts; das Pferd tritt an bleibt aber gleich wieder stehen; das Pferd versucht nach vorne weg zu laufen; u.a.m..

Ich denke aber, dass die obige Schilderung reicht, um einen Eindruck zu bekommen, wie man das Thema „Antreten aus dem Halt“ zu einem Trainingsbaustein macht, der logisch ist und durch Üben immer feiner abrufbar wird.

Die Vorteile der Equus®-Methodik sind:

  • Es gibt eindeutige Signale für jede Übung, somit fällt es dem Pferd leicht, die Hilfen zu unterscheiden.
  • Der Druck beginnt mit einer sehr „feinen Anfrage“ die immer mit einer typischen  Körperhaltung/-bewegung verbunden ist. Erst danach wird der Druck mit Unterstützung von Hilfsmitteln gesteigert, wenn es nötig ist, auch deutlich.
  • Das Pferd hat die Möglichkeit zu entscheiden, wann es sich für die richtige Antwort entscheidet.
  • Schon nach kurzer Zeit werden die Hilfsmittel immer sparsamer eingesetzt und unwichtiger. Durch diese Vorgangsweise entsteht eine Zusammenarbeit zwischen Mensch & Pferd, die von gegenseitiger Aufmerksamkeit geprägt ist. Auch unaufmerksame Pferde lernen, sich auf ihre Trainer zu konzentrieren.
  • Gemeinsames Bewegen (Führen und Longieren auf einem oder auf zwei Hufschlägen) wirkt dadurch sehr harmonisch und ähnelt mehr dem Tanzen als dem „Scheuchen von Pferden“ wie man es leider häufig erlebt.

Ein Beispiel aus der Légèreté

Im Ausbildungsplan von  Philippe Karl steht der „Respekt gegenüber dem Pferd“ im Zentrum der Überlegungen. Alle seine Ausbildungselemente sind dem Pferd gegenüber fair und verständlich.
Ich möchte hier erläutern, wie wir in der Légèreté dem Pferd die Bedeutung der Schenkelhilfen vermitteln.

Als Vorbereitung lernen wir dem Pferd an der Hand, auf das Anheben und Berühren mit der Gerte an der Flanke, anzutreten. Pferde, die vorher in Equus®-Methodik trainiert werden, kennen das bereits und tun sich natürlich sehr leicht. Der Umgang mit dem „Hilfsmittel Gerte“ ist für diese Pferde vertraut.

Wenn der Zusammenhang „Gerte anheben heißt augenblicklich Antreten“ gut verankert (konditioniert) ist, können wir das auch vom Sattel aus abfragen. Zu dem bereits bekannten Signal „Gerte“ fügen wir das Signal „beidseitiger Schenkeleinsatz am Gurt“ hinzu. Es kommt zu einer Kopplung der Signale. Bei konsequenter Anwendung genügt nach einiger Zeit der „Schenkel“ ohne den Einsatz der Gerte, um die Vorwärtsbewegung auszulösen.
Wenn sich das Pferd in Bewegung gesetzt hat, hängen die Reiterbeine wieder entspannt am Gurt. Wir nennen dieses Prinzip, das „Aussetzen der Hilfen“. Nur dadurch erfährt das Pferd eine „Belohnung“ für seine Bemühung. Die Konditionierung auf den Schenkel des Reiters muss bei Bedarf –  wenn die Wirkung nachlässt – wieder aufgefrischt werden. Vermittelt man dem Pferd diese Art von Schenkelhilfe, so führt das auch bei „trägen Pferden“ zu einer völligen Neuorientierung und zu einer willigen Vorwärtsbewegung, ausgelöst durch ein klares Signal.

Wie wir bereits gehört haben, funktioniert diese Konditionierung aber nur dann, wenn die Schenkel nicht auch noch für andere Reaktionen verwendet werden. Diesem Prinzip entspricht die Légèreté. Sie verwendet den beidseitigen Schenkeleinsatz am Gurt nur für das Auslösen der Vorwärtsbewegung. Sie trennt außerdem die Schenkelhilfen von den Zügelhilfen (Hand ohne Schenkel – Schenkel ohne Hand!) und ist dadurch klar und verständlich für alle Pferde!

Zusätzlich hat Philippe Karl in seiner Methode eine sehr ausgeklügelte Technik für die Reiterhände entwickelt. Dadurch ist garantiert, dass die Trense ausschließlich auf die Maulspalten des Pferdes einwirkt und die Zunge und die Laden des Tieres verschont werden. Das bedeutet, dass die Zügeleinwirkungen dem Pferd wesentlich weniger Stress (Schmerz) verursachen und dadurch der Lernvorgang erleichtert bzw. überhaupt erst ermöglicht wird.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass schon die Basisübungen wie auch die gesamte „Sprache der Hilfengebung“ in der Légèreté den Pferden das Lernen leicht macht!

Unter den Schülern von Philippe Karl sind daher auch solche, die „wenig begabte Pferde mit mittelmäßigen Gängen“ besitzen, die sich trotzdem in „Leichtigkeit und Balance“ bewegen und auch eine gute Bemuskelung zeigen. Das Erarbeiten von schwierigen Lektionen ist somit auch mit ihnen möglich.

Das spricht für die Methode und beweist, dass die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in Verbindung mit langjähriger Erfahrung und der Verwendung von hilfreichen Traditionen zu sehr cleveren und tierfreundlichen Ergebnissen führt!

Wenn man im aktuellen Dressursport (besonders in den „unteren Klassen“) sieht, wie überdurchschnittlich gebaute Pferde mit hoher Dressurveranlagung mit Zwang und Einsatz von Kraft geritten werden, so sollte man eigentlich sehr nachdenklich werden…

Aufruf
Ich habe hier nur einzelne Elemente aus der Légèreté und aus Equus® herausgegriffen, um aufzuzeigen, wie man mit Pferden arbeiten und sie erziehen kann, ohne sie zu verwirren oder zu frustrieren.

Wenn sie den Artikel bis hierher gelesen haben, haben sie bereits Interesse bewiesen, Danke dafür!

Sollten sie mehr über die Thematik wissen wollen – oder noch viel besser sie in der Praxis erlernen wollen – so freue ich mich über Rückmeldungen und Anfragen!

Franz Bachofner                                                                                    Jänner 2017
und im Jänner 2022 immer noch brandaktuell!!