Vorbereitung fürs Longieren

Ich möchte hier darüber schreiben, wie man Pferde auf das Longieren vorbereitet. Man könnte dazu auch sagen, „welche Bausteine brauche ich, damit ich ein Pferd sinnvoll longieren kann“.
Das Bild von den „Bausteinen“ finde ich sehr hilfreich: Viele Lektionen, die wir mit Pferden trainieren, lassen sich nämlich in einzelne Teile („Bausteine“) zerlegen. Erkenne ich, welcher Teil der Lektion noch mangelhaft ist (das ist für Ungeübte am Anfang oft schwierig), wird das Training viel spezifischer und effizienter. Somit erarbeite ich mit dem Pferd eine Reihe von „Bausteinen“, die zu unterschiedlichen Lektionen zusammengefügt oder kombiniert werden können.

Der Anlass für meinen Artikel ist, dass ich immer wieder auch „erfahrene Reiter“ sehe, die Pferde nicht korrekt longieren. Damit meine ich jetzt gar nicht, dass diese Personen die Pferde beim Longieren „ausgebunden haben“ oder sonst irgendwie grob behandelten (auf die möchte ich hier nicht eingehen!). Sondern ich meine, dass die Pferde teilweise in unpassender Bewegungsdynamik (zu schnell oder zu träge) waren. Außerdem sehe ich häufig Pferde an der Longe, die sich auf die innere Schulter „stützen“ und manchmal auch nach innen drängen, also in schlechter Balance sind. Oder sie „ziehen nach außen“ und der Mensch am Ende der Longe kommt dabei in Schwierigkeiten.
All das sind Beweise dafür, dass der Longenführer entweder nicht weiß, worauf er achten sollte, oder /und nicht in der Lage ist, die Situation zu verbessern.

Ziele des Longierens

Warum werden Pferde longiert?
In den meisten Fällen soll dem Pferd eine Bewegungseinheit gegeben werden, weil man es noch nicht reiten kann (Jungpferde, rekonvaleszente Pferde). Ein anderer Grund ist, das Pferd vor dem Reiten „aufzuwärmen“. Manche longieren, weil sie gerade zu wenig Zeit zum Reiten haben und trotzdem „etwas tun möchten“.

In allen Fällen sollten bestimmte Kriterien erfüllt sein:

  • Das Pferd soll das Longieren als eine Trainingseinheit erleben, bei der ihm etwas Neues vermittelt wird oder bereits erlernte Lektionen verbessert oder kombiniert werden. Das bedeutet, dass der Mensch einen „Plan“ haben sollte, woran er mit dem Pferd arbeiten möchte. Fehlt dieser Plan, entsteht meist ein stupides „im Kreis laufen lassen“. Dasselbe gilt auch fürs Reiten – da sollten ebenso methodische Ziele gesetzt werden, anstatt Kilometer abzuspulen!
  • Außerdem sollte man darauf achten, dass sich das Pferd dabei in einer guten und der Lektion entsprechenden Qualität bewegt. Damit meine ich eine passende Dynamik der Gangarten und die dazu erforderliche Balance/Körperhaltung.
    Das Ziel sollte sein, die momentan bestmögliche Bewegungs-Qualität – abhängig von Ausbildungsstand, Gesundheitszustand und Alter des Pferdes – zu erreichen.

Kommunikation mit verständlichen Signalen

Beginnen wir nun, jene „Bausteine“ zu sammeln, die wir brauchen um später eine gute Longenarbeit ausführen zu können.
Will man die genannten Ziele erreichen (dem Pferd etwas beibringen und eine gute Bewegungsqualität fordern), braucht man dazu eine „Reihe von Signalen“ mit denen das Pferd „gesteuert“ wird. Man könnte dazu auch die „Sprache der Hilfen für die Bodenarbeit“ sagen.
Die wichtigsten Signale für den Anfang der Erziehung dienen dazu, ein Pferd in Bewegung zu setzen, zu beschleunigen, abzubremsen oder anzuhalten. Außerdem müssen wir die Bewegungsrichtung beeinflussen können. Diese steht wiederum in direktem Zusammenhang mit der Balance und der Gewichtsverlagerung des Pferdes, vor allem in den Schultern.
Signale können wir mit unserem Körper geben (Wir tun es in jedem Fall – daher besser bewusst einsetzen!).
Unsere Haltung, unsere Blickrichtung, wie wir unsere Hände mit den Hilfsmitteln (Kontaktstock, Peitsche, Führseil) tragen, aber auch wohin wir uns bewegen, all das liefert permanent Signale ans Pferd (Pferde sind Experten beim Beobachten der Körpersprache!).
Weil diese „Körpersprache“ am Anfang des Trainingsprozesses meist nicht überzeugend genug auf Pferde „wirkt“, brauchen wir Hilfsmittel (Knotenhalfter, Kappzaum, Seil, Longe, Kontaktstock und Longierpeitsche).
Aus der „Lerntheorie“ wissen wir, dass alle Signale:
klar und unmissverständlich
sein müssen
nicht widersprüchlich sein dürfen und
ein bestimmtes Signal nur für eine spezifische Antwort gültig sein darf. 

Andernfalls wird das Verstehen und Unterscheiden für die Pferde  schwierig oder unmöglich! Daher ist jedes Detail bei der „Signalübertragung“ wichtig!
z.B. Wie halte ich den Kontaktstock/die Longierpeitsche und wohin zeigt er/sie bei den unterschiedlichen Übungen?
Wie dosiere ich dabei den „Druck“ meines Stock-/Peitschen-Signals?
Wohin bewege ich mich bei der Lektion „Handwechsel“?
In welcher Hand trage ich die Schleifen der Longe? u.v.m.
Es würde diesen Artikel bei weitem sprengen, wenn ich auf alle o.a. Details einginge. Dafür dient der praktische Unterricht!
Ich stelle beim Unterrichten immer wieder fest, dass der Erfolg in der „Kommunikation zwischen Mensch & Pferd“ stark von der Genauigkeit und der Unterscheidbarkeit der verschiedenen Signale abhängt.

Die Technik, die ich überwiegend anwende um ein Pferd zu trainieren, nennen die Verhaltensbiologen „Negative Verstärkung“. Damit „konditionieren“ wir gewünschte Verhaltensweisen. Das richtige „Dosieren von Druck“ und die „rasche Wegnahme von Druck“ geben dem Pferd die Chance, sich einen Vorteil zu verschaffen, indem es bestimmte Verhaltensweisen zeigt. 

Damit jetzt nicht der Eindruck entsteht, ich befasse mich überwiegend mit theoretischen Themen über Pferdetraining, möchte ich zufrieden darauf hinweisen, dass ich seit über 20 Jahren Pferde (und Menschen) trainiere und sich das angeeignete Wissen tausendfach in der Praxis bewährt hat!

Equus® Führübungen

Ich spreche hier über die Erziehung von (Jung-)Pferden, die den Menschen gewohnt sind, von ihm betreut und am Halfter geführt werden können und keine traumatischen Erlebnisse hinter sich haben. Für alle anderen „Spezial-Fälle“, sind vorgelagerte Übungen notwendig um eine Vertrauensbasis für das Training zu schaffen, manchmal auch um den verloren gegangenen Respekt wieder herzustellen.

Jungpferde – aber auch ältere Pferde, die noch nicht richtig erzogen wurden – beginne ich mit Equus®-Führübungen zu schulen. Dazu verwende ich das Knotenhalfter mit Führseil (ca. 3 Meter lang) sowie den Kontaktstock mit dem Seilchen als „Verlängerung“.
Es gibt unterschiedliche Führpositionen. Die wichtigste für uns hier ist die Position „Schulter an Schulter“. Dazwischen sollte der Mindestabstand auf jeden Fall eine Armlänge betragen. Das erhöht die Sicherheit für den Menschen und erhält ihm seinen „persönlichen Freiraum“. Der Abstand ermöglicht darüber hinaus beiden Partnern, sich gegenseitig besser sehen zu können. Die dem Pferd zugewandte Hand führt das Seil und die andere trägt den Kontaktstock (siehe Bild nebenan).
Das Antreten aus dem Halt sowie das Anhalten aus dem Schritt sind elementare Bausteine für alle weiteren Ausbildungsschritte. Bereits hier entscheidet sich, ob man das Pferd „hinten nach ziehen“ oder „vorne anführen“ lässt, oder ob sich Mensch und Pferd annähernd „synchron“ bewegen.
Das genaue Dosieren der treibenden und bremsenden Hilfen wird dabei geübt. Diese Signale zeigen dem Pferd, „wann darf/muss ich mich vorwärts bewegen“ genauso wie, „wann darf/muss ich anhalten“.
Das Verstehen und das Akzeptieren dieser „Basislektionen“ schaffen eine zufriedenstellende Situation für das Pferd und nehmen Stress aus der Lernsituation.
Das Pferd lernt dabei auch, „stehen zu bleiben“. Es gibt leider viele Pferde, die schon jahrelang „trainiert“ werden und nicht stehen bleiben können, ohne dass man sie „festhält“. In dem Fall ist Einiges in der Erziehung schlecht gelaufen!

Am Anfang führe ich das Pferd entlang der Bande, später natürlich ohne diese „Anlehnung“. Ich gebe das Tempo vor (Ausnahme siehe weiter unten) und steuere das Pferd so, dass es in der Position „Schulter an Schulter“ bleibt. Das erfordert Aufmerksamkeit von beiden! Der Mensch lernt dabei seine Hilfsmittel (Kontaktstock und Führseil) adäquat einzusetzen, das „Handling“ wird immer mehr zur Routine. Schließlich sieht das Führen schon harmonisch aus!
Zum „Equus®-Führprogramm“ gehört es auch, das Pferd auf Anweisung einige Tritte Rückwärts treten zu lassen sowie die Vorhand und die Hinterhand aus dem Halt (später auch in der Bewegung) seitwärts treten zu lassen.

Bei allen diesen Lektionen sind die passende Körperhaltung (vom Menschen) und die richtigen Bewegungen von Kontaktstock und Führseil anzustreben. Je genauer der Mensch bei allen Übungen seine Körpersprache in Abstimmung mit den Hilfsmitteln einsetzt, umso aufmerksamer und feiner werden die Pferde!

Aufmerksamkeit entsteht durch Abwechslung

Bald schon sorgt eine abwechslungsreiche Kombination von Schritt- und Trabphasen auf geraden und gebogenen Linien für ständige Aufmerksamkeit beim Pferd.
Wer dem Pferd „mehr bieten“ möchte, kann Stangen auflegen, über Planen und kleine Hindernisse führen, Slalomlinien durch Pylonenreihen absolvieren und verschiedene Führübungen auch im Gelände erproben.

Apropos Aufmerksamkeit: Ich mache beim Equus®-Training zahlreiche, aber kurze Sequenzen, in denen ich volle Konzentration vom Pferd bekomme. Manchmal sind es sogar nur wenige Sekunden, die ich das Pferd „kontaktiere“ (z.B. wenn ich Übergänge Halt-Schritt übe.) Beim Wiederholen der Sequenzen stelle ich unmittelbar den Lernfortschritt fest. Dieser zeigt sich entweder in einer kürzeren Reaktionszeit (promptere Antwort, die weniger „Signal-Druck“ erfordert) oder auch in einer besseren Qualität der Ausführung.
Zwischen den Übungen liegen kurze Pausen in denen das Pferd „abschalten“ darf. Wenn etwas (Schwieriges) besonders gut gelingt, gibt es auf jeden Fall ausführlich Lob (Stimme, Streicheln, Pause, keine Leckerlis!) und manchmal beende ich in so einem Fall auch die Trainingseinheit.
Bei den Equus®-Führübungen verlange ich vom Pferd eine fleißige, aktive Bewegung. In manchen Situationen verändere ich die Kopf-Hals-Position: z.B. etwas höhere Position vor einem Halt-Übergang. Dadurch beeinflusse ich die „Muskelaktivität“ im Pferdekörper und erhalte bessere Übergänge.
Was ich noch feststellen möchte: Wenn man mit der Equus®-Führtechnik begonnen hat, dann sollte man sie immer anwenden. Wer sie nur in der Reitbahn verwendet, wird bald „unglaubwürdig“ fürs Pferd.

Ein wichtiges Merkmal im Equus®-Beziehungstraining:
Alle Signale, die wir dem Pferd geben, beginnen mit einer körpersprachlichen Einleitung. Erst danach kommen die Hilfsmittel zum Einsatz. Durch diese „Einleitung“ können Pferde (sie sind perfekte Beobachter!) das Signal bereits im Ansatz erkennen und darauf reagieren. Dadurch wird die Verwendung der Hilfsmittel immer unbedeutender

Clever mit Pferden trainieren

Bei temperamentvollen (jungen) Pferden kann es schon mal passieren, dass man sie am Anfang der Einheit kaum im Schritt führen kann, weil man sonst ständig „bremsen“ müsste. 
Wenn ein Pferd so starken Bewegungsdrang hat, wäre es unklug, auf der Gangart Schritt zu beharren. Ich bewege mich in so einem Fall auf einem Kreis und lasse den Abstand zum Pferd etwas größer werden (maximal bis er die ganze Seillänge beträgt). Somit kann das Pferd auf dem größeren Kreis flott traben oder auch galoppieren. Es kann mich dabei aber nie überholen! Dadurch bleibe ich in der „bestimmenden Position“ und lerne dem Pferd gleichzeitig, dass „Davonstürmen“ nichts bringt.
Häufige Handwechsel alle paar Runden helfen zusätzlich mit, diese „Sturm- und Drangphase“ zu kanalisieren. Meistens ist nach wenigen Runden ohnehin die „Luft draußen“ und anschließend ist mehr Bereitschaft zur Mitarbeit beim „Fluchttier Pferd“ vorhanden. Wer so ein Pferd hingegen ständig bremst, verstärkt nur seinen Drang, loszustürmen. Das zeugt von wenig Verständnis für das, was das Pferd momentan braucht!

Gute Trainer sind flexibel in der Wahl ihrer Übungen, können sich gut an unterschiedliche Situationen und Klienten (in dem Fall die Pferde) anpassen und sind sehr aufmerksam in ihrer Wahrnehmung.
Diese Aussage trifft übrigens für jeden Trainer und Pädagogen zu, egal ob er Menschen oder Tiere unterrichtet. Wer ein Pferd mit Einfühlungsvermögen und Cleverness trainiert, verbessert  die Motivation und muss deshalb weniger „diskutieren“.

Ich möchte dazu ein Beispiel anführen:
Erst vor kurzem habe ich eine Reitlehrerin beobachtet, die ihr junges Pferd longiert hat, das dabei plötzlich wild zu bocken begonnen hat. Daraufhin hat sie es abrupt gebremst und dann rückwärts geschickt, indem sie sehr dominant auf ihr Pferd zugegangen ist. Anschließend hat das Pferd eine kurze Pause im Halt bekommen und wurde dabei von der Dame gestreichelt.
Analysiert man diese Situation, so sind dabei gleich mehrere Fehler zu finden:
Ein Pferd, das bocken beginnt, reduziert deutlich seine Vorwärtsbewegung. Daher soll es zur Korrektur sofort aktiv vorwärts geschickt werden. Je schneller sich ein Pferd vorwärts bewegt, umso schwerer fallen ihm Bocksprünge. Die kosten nämlich viel Kraft! Das Abstoppen der Vorwärtsbewegung erleichtert hingegen das Bocken.
Das Rückwärts-Schicken wird oft als „Strafe für zu viel Vorwärtsdrang“ angewendet oder auch, um das Pferd „ruhig zu stellen“. (So wird es von manchen Reitern auch im Sattel praktiziert.) Sowohl die „Strafe“ als auch das „Ruhigstellen“ ist in der Erziehung von Pferden aber völlig unnötig!
Wenn wir jetzt aus der Sicht des „Verhaltensbiologen“ auf diese Situation schauen, so erkennen wir Folgendes: Das Pferd hat seinen Bewegungsdrang oder Übermut, vielleicht auch seinen Unmut mit dem Longieren durch Bocksprünge geäußert. Als Reaktion darauf wurde es angehalten und schließlich hat es eine Pause mit Streicheleinheiten bekommen.
Was wird das Pferd aus dieser Abfolge für die Zukunft lernen? „Bocksprünge sind der Schlüssel zu einer Pause mit Lob“, könnte die Erkenntnis eines „cleveren“ Pferdes sein….

Die Schultern kontrollieren

Das Thema Schulterkontrolle ist in der Pferdeausbildung ein „Dauerbrenner“. Es gibt kaum eine Lektion, die ohne das genaue Steuern der Pferdeschultern möglich ist:
Wenn man den Pferdehals korrekt seitlich biegen möchte, ist man mit diesem Thema konfrontiert. Jede Richtungsänderung und auch alle Übungen auf zwei Hufschlägen erfordern die Kontrolle der Pferdeschultern. Das betrifft die „Bodenarbeit“ genauso wie das Training im Sattel.
Daher achten wir bei den Equus®-Führübungen von Anfang an auf die korrekte Bewegungsrichtung der Pferdeschultern. Jedes „Hereindrängen“ des Pferdes näher zum Führenden wird korrigiert. Pferde leiten Richtungsänderungen nämlich meist dadurch ein, dass sie Gewicht auf die betreffende Seite verlagern und mit den Schultern dorthin „schieben“.
Manchmal wird dieses „Drängen“ gegen den Menschen aber auch als „Test“ ausgeführt. So wie Pferde beim Spielen sich gegenseitig mit den Schultern abdrängen, versuchen sie das auch bei dem „führenden Menschen“ anzuwenden.
Beim Führen lernen wir dem Pferd unter anderem, den Abstand einzuhalten und auf Anforderung auch zu vergrößern. Wir verwenden dazu auch den Kontaktstock. Die genaue Abfolge von „Stockbewegungen, Druckaufbau und Nachgeben“ ist dabei extrem wichtig. Wenn Pferde während dieser Lektion „beschleunigen“ wollen, ist das mit dem Führseil zu korrigieren. Beachtet man das nicht, lernen die Pferde das Falsche: Nämlich bei Verwendung des Kontaktstockes – ist gleich bedeutend mit mehr „Druck“ – davon zu laufen. Danach sind gezielte Signale mit dem Stock kaum noch möglich!
Wenn das „Weichen lassen“ im Schritt Schwierigkeiten macht, gibt es dafür auch Vorübungen („Bausteine“) im Halt.

Zusätzlich beginne ich bei den Equus®-Führübungen, den Pferdehals seitwärts zu biegen. Manchmal in die Bewegungsrichtung, aber auch in Konterbiegung. Diese „Halsbiegungen“ erleichtern später die „Biegeübungen“ (am Boden oder im Sattel) enorm.
Gemeinsam ist diesen Lektionen, dass das Pferd dabei lernt, in den Schultern „auszuweichen“ und dass die eingestellte Halsbiegung auch anders als die Fortbewegungsrichtung sein kann.

Die Schultern sicher kontrollieren können führt auch dazu, mehr Respekt vom Pferd zu bekommen!
Mehr Respekt bedeutet wiederum, dass man vom Pferd „anders wahrgenommen“ wird als Folge auch andere „Diskussionen“ weniger oft entstehen.

Handwechsel beim Führen

Eine spezielle Übung beim Führen ist der Handwechsel. Das Pferd sollte dabei eine Kehrtvolte absolvieren und der Mensch wechselt auf die andere Körperseite des Pferdes.
Auch diese Übung hat mit der Kontrolle der Pferdeschultern zu tun. Im ersten Teil der Kehrtvolte muss das Pferd seine „Lenkachse“ (die Schultern) nach innen bewegen. Dafür brauchen wir das Signal „Komm zu mir her“. Auf der zweiten Hälfte der Kehrtvolte muss das Pferd sich  wieder nach außen Richtung Hufschlag bewegen, also „weichen“. Der Mensch bestimmt dabei die Größe der Kehrtvolte und achtet darauf, dass der passende Abstand eingehalten wird und der Bewegungsfluss nicht unterbrochen wird.
Am Anfang bringt der „Handwechsel“ einige Schwierigkeiten für den Menschen:
Das korrekte Timing zu finden, selber auf der richtigen Linie zu gehen, sowie das Handling von Kontaktstock und Führseil erfordern wirklich Einiges an Übung! Daher ist das Zerlegen in einzelne „Bausteine“ oft ein methodisch sinnvolles Vorgehen. Wenn der Handwechsel im Schritt klappt, kann er später natürlich auch im Trab geübt werden.

Handwechsel Körpersprache

Zirkeln mit kurzer Distanz

Nach den Equus®-Führübungen beginne ich mit den ersten Zirkelübungen, die später nahtlos in „normales Longieren“ übergehen. Ich nenne diese Zwischenstufe, „Zirkeln mit kurzer Distanz“. (Siehe dazu das Foto nebenan.)
Der Abstand zwischen mir und dem Pferd beträgt dabei etwa 3 Meter (die Länge des Führseiles). Jetzt trage ich das Seil mit meiner „vorderen Hand“ (in Bewegungsrichtung des Pferdes gesehen) und die „hintere Hand“ trägt den Kontaktstock (+ Verlängerungs-Seilchen). Er dient mir als Longierpeitsche.
Ich bewege mich bei diesem Zirkeln selber auch auf einer Kreislinie vorwärts. Mein Kreis hat einen Durchmesser von etwa 10 bis 12 Metern. Das ergibt für das Pferd einen Kreisdurchmesser von etwa 16 bis 18 Metern. Darauf übe ich nun Schritt- und Trabphasen mit den erforderlichen Übergängen. Auch Haltübergänge und einige Tritte rückwärts gehören zum Programm.
Beim Zirkeln wechsle ich immer wieder große Kreise mit kleinen Kreisen und dazwischen longiere ich das Pferd auch auf geraden Linien. Dabei muss ich mich entsprechend korrekt Mitbewegen um in der richtigen Position zum Pferd zu bleiben.

Die Vorhand „aufrichten“

Immer wenn es nötig ist, korrigiere ich beim Zirkeln die Vorhand des Pferdes nach außen.
Erstens möchte ich, dass das Pferd die gebotene Länge des Seiles ausnutzt und nicht ungefragt nach innen driftet.
Zweitens ist das „Aufrichten“ nötig, wenn ein Pferd sich auf die innere Schulter stützt und dadurch zunehmend „schief“ wird.
Aber auch ohne diesen „Fehler“ (Pferde stützen auf die innere Schulter, um sich ökonomischer zu bewegen) verlege ich die Kreislinie immer wieder nach außen. Dadurch erziele ich die Gewichtsverlagerung des Pferdes und verändere seine Körperhaltung. Außerdem verlagert sich der Hufschlag und man „wandert“ dabei in alle Bereiche der Reitbahn.

Dehnungshaltung beim Longieren

Ein beliebtes „Diskussionsthema“ in der Pferdeausbildung ist die „Dehnungshaltung“. Definitiv ist sie nur dann korrekt, wenn Pferde aktive und raumgreifende Tritte (oder Galoppsprünge) zeigen, dabei der Hals gut gedehnt und die Nasenspitze an vorderster Position ist. Das gilt für jede Gangart!
Dehnungshaltung ist eine notwendige Position für bestimmte Ausbildungsziele – aber nicht die einzig Richtige!
Von manchen „Experten“ wird der Eindruck erweckt, Dehnungshaltung wäre die Lösung für alles – und jede andere Haltung wäre schädlich!
Ich möchte hier nicht auf Vorteile und Nachteile (ja, die gibt es auch) der Dehnungshaltung eingehen. Die Frage lautet eher, wann ist Dehnungshaltung sinnvoll bzw. erforderlich und wann nicht? Oder haben sie schon einmal eine korrekte Piaffe oder einen guten Trab-Halt-Übergang in Dehnungshaltung gesehen?

Das „Verzwickte“ an der Dehnungshaltung ist, dass viele Reiter ihre Pferde nicht „überreden können“, diese einzunehmen – weder wenn sie im Sattel sitzen, und auch nicht bei der Longenarbeit. Deswegen verwenden sie „Ausbindezügel“. Diese werden in der Trense eingeschnallt und zwingen den Pferdekopf unweigerlich in die gewünschte, tiefe Haltung.
Die Auswirkungen des Ausbindens fürs Pferd sind katastrophal:
Es wird in eine fixe Haltung „gezwungen“ und kann nun die „Balancierstange“ (Kopf und Hals) nicht mehr einsetzen. Es wird im Maul „gerissen“ wenn es versucht den Kopf anzuheben. Dabei entsteht schmerzhafter Druck auf die Zunge und die Laden. Daraus lernt das Pferd: „wenn ich den Kopf tief trage und die Nase auf keinen Fall nach vorne verschiebe, ist es am wenigsten unangenehm!“
Das ist aber gegen die natürlichen Bewegungsabläufe! Jede natürliche, aktive Vorwärtsbewegung und auch jede Beschleunigung der Bewegung beginnt beim Pferd mit dem „Anheben der Nase“, anders gesagt mit dem Öffnen des Genicks!
Wer „ausgebunden longiert“ legt die Basis dafür, dass Pferde sich nicht ans Gebiss „herantrauen“, die Stirn-Nasen-Linie hinter der Senkrechten behalten und eine optimale „Vorwärtsbewegung“ verweigern.

Wer sich dagegen mit der Lehre von Philippe Karl (Ecole de Légèreté) beschäftigt und dort lernt, ein Pferd in Dehnungshaltung zu schicken ohne „Hilfszügel“ zu benutzen und ohne Zunge oder Laden zu malträtieren und trotzdem in Kontakt mit dem Pferdemaul zu bleiben, kann getrost auf „Hilfszügel“ verzichten!

Auf jeden Fall verwenden wir niemals „Ausbindezügel“ – auch nicht beim Longieren!
Vielmehr erlaube ich dem Pferd, beim Zirkeln die Kopfhaltung einzunehmen, die es gerade „braucht“. Dadurch sehe ich deutlich, wie es um die „Balance“ des Pferdes steht und erkenne auch den aktuellen „Gemütszustand“.

Sehr oft erlebe ich, dass Pferde beim Zirkeln (egal ob auf kurze oder längere Distanz) nachdem ich sie in den Schultern „aufgerichtet“ habe, sich vorwärts-abwärts dehnen und dabei eine gute „Qualität der Bewegung“ zeigen. Völlig ohne dass sie dazu gezwungen werden und meistens auch begleitet von einem entspannten Abschnauben!
Die Erklärung dafür liefert die Tatsache, dass das „Fluchttier Pferd“ eher dann bereit ist sich zu dehnen, wenn es sich in guter Balance befindet und in einem psychisch ausgeglichenen Zustand ist. Das ist doch eine tolle Bestätigung für die vorhergehende „Longenarbeit“!
Nimmt das Pferd den Kopf wieder hoch oder ist es (noch) nicht bereit sich zu dehnen, so ist das auch eine „Botschaft“, die mir als Trainer wichtige Informationen für die weitere Vorgangsweise gibt.

Handwechsel an der Longe

Wenn bereits bei den Equus®-Führübungen der Handwechsel korrekt erarbeitet wurde, ist dieser jetzt kein Problem mehr. Lediglich die Distanz ist etwas größer und das Wechseln von Longe und Peitsche in den Händen ist „anders“ als beim Führen. Das Pferd beschreibt wiederum eine Kehrvolte, diesmal auf dem Zirkel. Der Bewegungsfluss sollte dabei erhalten bleiben.

Geraderichten des Pferdes

Das „Geraderichten des Pferdes“ ist auch ein Thema, das unter engagierten Reitern gerne diskutiert wird. Wann beginnt man damit? Wie macht man es? Welche ist eigentlich die hohle Seite?  u.ä.m.

Schon beim Führen und noch deutlicher beim Longieren erkennt man die dominante Schulter des Pferdes, die gerne „überladen“ wird. Die Ursache dafür ist die „Natürliche Schiefe“ der Pferde. (Wer mehr darüber wissen möchte, kann in Philippe Karl´s Buch „Irrwege der modernen Dressur“ darüber ausführlich nachlesen).
Auf jeden Fall soll man schon bei den Führübungen und vor allem beim Longieren am „Geraderichten“ des Pferdes arbeiten. Übrigens ist dieser Prozess nie ganz abgeschlossen – so wie auch aus einem „Linkshänder“ nie ein „Rechtshänder“ wird.


Für ein linkshohles Pferd, das seine rechte Schulter vermehrt belastet, sind zum Beispiel folgende Übungen sinnvoll:

  • Beim Führen befinde ich mich auf der rechten Körperseite des Pferdes, biege den Hals nach rechts und lasse das Pferd nach links abwenden.
  • Beim Zirkeln auf der rechten Hand biege ich den Pferdehals immer wieder nach innen (mittels Longe) und gleichzeitig richte ich die Schultern auf (mit dem Kontaktstock bzw. mit der Longierpeitsche). Zuerst übt man das im Schritt und später auch im Trab.

Diese Gymnastik verbessert die „Körperhaltung des Pferdes“ und somit auch die Qualität der Gangarten deutlich.

Ich benutze beim Führen wie auch beim Zirkeln den ganzen Reitplatz. Diese Mobilität ist abwechslungsreicher und  das Pferd läuft keine „Furchen“ in die Reitbahn.

Die passende Position zum Pferd

Ein Hinweis noch zum „Positionieren“: Gutes Positionieren im Vergleich zum Pferd ist bei Training am Boden immer erforderlich.
Pferde als Fluchttiere haben große „Sensibilität“ dafür, von welcher Seite Gefahr oder Bedrängnis auf sie zukommt. Unsere Position hat daher großen Einfluss auf die Bewegung des Pferdes. Sind wir zu weit hinten, so hat das eher treibende Wirkung. Je weiter vorne wir uns in Bezug zum Pferd befinden, umso mehr „bremsen“ wir oder drängen es nach außen.
Wer diesen Einfluss bewusst nutzt, kann vor allem zu Beginn der Ausbildung das „Steuern“ des Pferdes damit unterstützen.

Zirkeln mit der „langen Longe“

Wenn die Ausbildung bis hierher erfolgt ist, kann man nun ohne Probleme auf eine längere Longe mit einer dazu passenden langen Longierpeitsche umsteigen. Wer einen gut sitzenden Kappzaum besitzt, soll ihn jetzt natürlich verwenden.
Das Pferd kennt alle nötigen Signale um sich lenken, beschleunigen und bremsen zu lassen. Es kann durch die Signale der Longierpeitsche in der Vorhand „aufgerichtet“ werden und ist somit bereit für die Longenarbeit mit größerem Abstand.
Der größere Kreisdurchmesser fördert das Entwickeln der Qualität der schwunghaften Gangarten. Somit verlangen wir aktive und schwungvolle Vorwärtsbewegung im Trab oder Galopp und trainieren gute Übergänge zwischen den Gangarten inklusive Halt.

Der Longenführer bewegt sich zwar immer noch aktiv mit, aber das Bewegungs-Pensum wird durch die lange Longe deutlich kleiner. Zwischendurch wird das Pferd immer wieder auch auf kleinere Kreise gebracht (z.B. beim Handwechsel, aber auch ohne die Hand zu wechseln)) um dabei die Balance zu verbessern und den Hals zu biegen. Auch gerade Linien, zuerst entlang einer Bande und später auch ohne, werden geübt.
Alle „Bausteine“, die wir schon beim „Zirkeln auf kurze Distanz“ erlernt haben, werden jetzt mit größerer Distanz zum Pferd eingesetzt.

Resümee

Wer sich dem Thema „Longieren“ mithilfe des Equus®-Beziehungstraining annähert, hat dadurch viele Vorteile:

  • Der Lernprozess entwickelt eine stabile Partnerschaft und klärt die Rollenverteilung im Team (Mensch & Pferd).
  • Das Pferd wird „step by step“ auf das „Longieren“ vorbereitet.
  • Der Mensch hat die Pflicht, klar in seiner Hilfengebung (Signale ans Pferd) zu werden und wird dadurch verständlicher fürs Pferd.
  • Beim Equus®-Beziehungstraining werden die Wahrnehmung und Steuerung des eigenen Körpers verbessert – das soll kein Nachteil beim Reiten sein 😉
  • Alle Fähigkeiten, die man dem Pferd bisher vermittelt hat (sich lenken, beschleunigen, bremsen lassen, die Körperhaltung verändern,…) wurden ohne einen „Eingriff“ ins empfindliche Pferdemaul entwickelt.
    Wenn wir nun bei Jungpferden mit der Gewöhnung an die Trense und den „Abkau- und Biegeübungen“ aus der „Légèreté“ fortsetzen, ist das die Idealsituation eines pferdegerechten und verständlichen Ausbildungsweges!
    Dann kann es auch nicht passieren, dass jemand „Abkauübungen“ mit einem Pferd versucht, dass nicht stehen bleiben gelernt hat und gegen den Menschen drängelt (…leider schon öfter gesehen!).
  • Methodische Grundsätze, die bisher beachtet wurden, sind auch bei der weiterführenden Ausbildung des Pferdes (in der Légèreté) unterm Sattel gültig.
    B. „an bekanntes Anknüpfen“; „vom Einfachen zum Schwierigeren“;
    „keine widersprüchlichen oder unklaren Hilfen geben“
    „das Aussetzen der Hilfen beachten“;
  • Das Pferd kann somit auf bereits „bekannte Vereinbarungen“, die im Zuge der Ausbildung entstanden sind, weiterhin vertrauen. Dieses „Vertrauen können“ nimmt viel Anspannung aus der Lernsituation. Wir wissen auch, dass man in entspannter Situation viel leichter lernen kann (das gilt natürlich auch für den Mensch!).
  • Insgesamt wird das Pferd in seiner Entwicklung (körperlich und psychisch) optimal gefördert und man schafft dadurch eine ideale Basis für jedes weitere Training.

Einen „Haken“ hat das Equus®-Beziehungstraining allerdings:
Es ist „mühsamer“ sich diesen Weg zu erarbeiten. Es erfordert mehr Engagement, regelmäßige Reflexion ob die „Richtung der Entwicklung“ noch stimmt und das Streben danach, einen möglichst gut gefüllten „Baukasten an Lektionen“ zu erlangen.
Viel leichter für den Menschen (aber nicht fürs Pferd!) ist es, ein Pferd an die Longe zu hängen (im schlimmsten Fall sogar ausgebunden), vorwärts zu schicken und zu hoffen, dass alles gut geht…!

Ich weiß natürlich aus Erfahrung und den Rückmeldungen und Erfolgen von vielen Schülern, dass sich die „Mühen“ auf jeden Fall lohnen. Die zusätzliche Zeit und Mühe, die man am Anfang investiert, holt man später ganz sicher wieder ein.

Wer mehr darüber wissen und vor allem auch in der Praxis erleben möchte, kann gerne bei einem meiner Kurse dabei sein. Dort werden, abhängig vom Ausbildungsstand der Teilnehmer, sowohl das Equus®-Beziehungstraining als auch die Légèreté unterrichtet.

P.S. Ich spreche natürlich immer beide Geschlechter an (Reiterinnen und Reiter) spare mir aber die mühsame Doppelnennung bzw. das Binnen-I.